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Zweiten Teil der Studie über das politische Engagement in Belgien

VUB, ULB und itsme stellen den zweiten Teil der Studie über das politische Engagement in Belgien vor

Bürgerpartizipation: Folgeuntersuchung zu alternativen Wegen für die Mitwirkung der Bürger an der politischen Entscheidungsfindung 

Die Stimmabgabe ist nur eine der Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger. Auch wenn die parlamentarische Demokratie der wesentliche Pfeiler unserer Gesellschaft bleibt, gibt es zahlreiche andere Formen der Bürgerpartizipation, die dafür sorgen, dass die Demokratie lebendig bleibt. In einer neuen Untersuchung von VUB, ULB und itsme werden alle diese Initiativen aufgelistet und Empfehlungen für eine Stärkung des Engagements der Bürger in Bezug auf die politische Entscheidungsfindung aufgeführt.  

In welchem Umfang beteiligen sich die Belgierinnen und Belgier an den Wahlen und an der weiteren politischen Entscheidungsfindung? Welche Alternativen gibt es zusätzlich zur Wahlkabine, um die Bürger in die Entwicklung der Politik einzubinden? Das ist das Thema einer zweiteiligen akademischen Studie des Fachbereichs Politische Wissenschaften (Departement Politieke Wetenschappen - POLI) der VUB und des Zentrums für das Studium der politischen Praxis (Centre d'Etude de la Vie Politique – Cevipol) der ULB. Unterstützt wird die Untersuchung durch die Identitäts‑App itsme, dem Zugangsschlüssel zu den Onlinediensten der staatlichen Stellen (sowie zahlreicher privater Partner). 

Erster Teil 2021 

Der erste Teil der Studie über die politische Partizipation erschien im Oktober 2021. Darin untersuchten VUB und ULB die Motivation der Menschen, um ihre Stimme abzugeben oder nicht abzugeben. Den letzten Schätzungen zufolge geben – trotz Wahlpflicht – 17 % der Belgier am Wahltag keine oder eine ungültige Stimme ab. Die Gründe hierfür reichen von rein praktischen Hindernissen über soziologische Faktoren bis hin zu bewusst getroffenen ideologischen Entscheidungen.  

Es wurde Lösungsvorschläge gemacht, um – sowohl kurz- als auch langfristig – mehr Menschen an die Wahlurnen zu bringen. Unter anderem genannt wurden Programme für staatsbürgerliche Bildung, die Entwicklung von Online-Abstimmungstests, direkter Kontakt zu Gewählten, eine bessere Repräsentation von Minderheitsgruppen, die Vereinfachung des Wahlverfahrens und die Online-Stimmabgabe. 

Längerfristig wies die Untersuchung auch auf die Notwendigkeit hin, die politische Partizipation außerhalb der Wahlen zu fördern. Instrumente wie Petitionen können für eine größere Mitsprachemöglichkeit der Bürger sorgen, was zu einer größeren Transparenz bei der Entscheidungsfindung führen kann. Damit tragen sie dazu bei, das Band zwischen Politik und Bürgern wiederherzustellen, was hilft, die hauptsächlichen Ursachen für die Stimmenthaltung zu bekämpfen.  

Zweiter Teil 2023 

Der zweite Teil der Studie von VUB, ULB und itsme, der dieses Jahr erschienen ist, geht tiefer auf diese Thematik ein. Die Studie gibt eine detaillierte Übersicht über die unterschiedlichen Instrumente für die Bürgerpartizipation, die sich innerhalb des belgischen politischen Systems entwickeln.  

Eine Studie über Bürgerpartizipation ohne politische Partizipation wäre nicht sehr sinnvoll. Deshalb wurde dieser neue Teil der Studie bereits bei den politischen Parteien verbreitet, um die Informationen weiterzugeben und Reaktionen darauf zu erhalten. Einige politische Persönlichkeiten und Parteien wurden bereits dazu eingeladen, ihr Feedback zu geben. 

Trotz der zunehmenden Bedeutung der Bürgerpartizipation wird deutlich, dass die partizipative Demokratie nicht als Wundermittel für eine Erhöhung der Mitwirkung der Bürger bei der politischen Entscheidungsfindung betrachtet werden kann. Einstweilen geht aus der Analyse des rechtlichen Rahmens hervor, dass es derzeit nur wenige institutionalisierte Mechanismen für eine Bürgerpartizipation gibt.  

Außerdem erscheint es schwierig, bestimmte Bürger in die partizipative Demokratie einzubinden. Dabei handelt es sich, was nicht überrascht, häufig um die gleichen Bürger, die nicht zur Wahl gehen. Die räumliche Entfernung kann die Partizipation erschweren, ebenso wie die Zeit, die für die Teilnahme erforderlich ist. Es gibt auch eine ganze Reihe persönlicher Hemmnisse, wie zum Beispiel Mangel an digitalen Fähigkeiten, die Tatsache, eine andere Muttersprache zu sprechen oder nicht mit den institutionellen Instanzen wie Parlamenten oder Gemeinderäten vertraut zu sein. Einige Menschen denken außerdem, dass sie nicht kompetent sind, um ihre Meinung zu äußern, und nehmen deshalb nicht teil. Diese Selbstdisqualifizierung ist eines der am schwierigsten zu überwindenden Hindernisse.  

Außerdem gibt es zahlreiche organisatorische Hürden, die es verhindern können, dass diese Partizipationsmechanismen in unseren institutionellen Systemen ihren angemessenen Platz finden. So kommt es bei den meisten Partizipationsprozessen nur selten zu konkreten Empfehlungen und besteht hinterher wenig Raum für eine Auswertung und für Feedback.  

Und schließlich scheinen auch wenige Bürgerinitiativen eine digitale Komponente zu enthalten. Das erscheint kontraintuitiv angesichts der Tatsache, dass die Digitalisierung ein interessanter Weg sein kann, um Menschen zu erreichen, und die Technologie bereits verfügbar ist. Digitale Technologien schaffen Möglichkeiten, um Informationen in einem virtuellen Raum direkt miteinander zu teilen. Sie bieten mit anderen Worten die Möglichkeit, Hindernisse in Bezug auf Zeit und Entfernung zu überwinden. Vielleicht wären die Menschen häufiger politisch aktiv, wenn die Partizipation digital verlaufen könnte. 

 

 

Empfehlungen 

Der zweite Teil der Studie von VUB, ULB und itsme folgert, dass auf dem Gebiet der Bürgerpartizipation in Belgien noch umfangreiche Verbesserungen möglich sind. Es fehlen ein deutlicher rechtlicher Rahmen und klar definierte Begriffe rund um die Partizipation, wie man beispielsweise an der Verwirrung in Bezug auf Begriffe wie „Empfehlung“ und „Vorschlag“ sehen kann. Das bringt die Gefahr mit sich, dass Bürger Kritik üben, aufgeben oder einen Mangel an Unterstützung zeigen. Denn ihre Erwartungen werden durch widersprüchliche und unklare Bezeichnungen beeinflusst, die schwer in konkrete Ergebnisse umgesetzt werden können. Der Bericht enthält einen Überblick über gute Vorgehensweisen, die die Behörden praktizieren können. Unter anderem Kommunikation und Transparenz werden als ausschlaggebend für den Erfolg von Initiativen für die Bürgerpartizipation angesehen.  

Außerdem gibt es eine ganze Reihe weiterer Anreize, die eine Teilnahme am Partizipationsprozess fördern können. Zum Beispiel: Vergütung der Kosten, Verwendung verständlicher Begriffe, inklusive Kommunikation, Bevorzugung von Online-Partizipationsverfahren usw.  

E-Partizipation 

Der Einsatz von digitalen Partizipationsmitteln oder E-Partizipation zwischen den Behörden und den Bürgern kann für einen besseren Austausch zwischen den Behörden und den Bürgern sorgen. Eine breit getragene stark verbreitete App wie itsme könnte hierbei sicher eine Rolle spielen.  

Beinahe 7 Millionen Belgier, rund 85 % der erwachsenen Bevölkerung besitzen bereits ein itsme-Konto: Die Reichweite ist folglich sehr hoch. Dank itsme könnten sich die Bürger sicher und unkompliziert identifizieren, um so einfacher an Bürgerpartizipationsprozessen teilnehmen zu können. Auf diese Weise können sie dank itsme über ihren eigenen Computer, ihr Tablet oder ihr Smartphone sicher und auf Abstand ihre Stimme zu Gehör bringen. Dies ist zudem vollständig anonym möglich: Durch das Einloggen mit itsme wird die Identität der Bürger garantiert, ohne diese Identität jedoch an die abgegebene Stimme selbst zu koppeln. Die Online-Abstimmungsplattform, die in keiner Weise an itsme gekoppelt ist, registriert die abgegebene Stimme vollkommen anonym. Die Integration dieser digitalen Komponente könnte mehr Bürger dazu anregen, sich dennoch zu politischen Fragen zu äußern.  

Seit dem ersten Teil der Studie hat itsme bereits zusätzliche Schritte unternommen, um die E-Partizipation noch zugänglicher zu machen, unter anderem durch die Öffnung der App für 16- und 17-Jährige. Sie müssen sich anmelden können, um ihre Stimme bei den EU-Wahlen 2024 abgeben zu können. Seit dem 1. Mai 2023 ist die Registrierungsplattform für junge Menschen zugänglich, die auf europäischer Ebene abstimmen möchten. Sie können nun itsme verwenden, um sich einzuloggen. 

Schlussbemerkung 

Im Mai 2024 gehen die Belgier wieder an die Wahlurne, um ihre föderalen, regionalen und europäischen Vertreter zu wählen. Am zweiten Sonntag im Oktober können sie ihre Stimme für die neuen Gemeinde- und Provinzialräte abgeben. Es steht also viel auf dem Spiel. In dieser Hinsicht ist diese Studie gesprochen interessant, denn sie beweist, dass es Abhilfe gibt für die schwächer werdenden Beziehungen zwischen Bürgern und Politik!  

Die Untersuchung bietet Lösungsmöglichkeiten für eine Überwindung der aktuellen Schwierigkeiten der partizipativen Demokratie in Belgien. Zugleich zeigt die zweiteilige Studie, dass es keine Zauberformel gibt. Nur die Summe verschiedener Lösungen und Vorschläge wird unsere Demokratie befördern und dazu beitragen, das Vertrauen in unsere Institutionen und unsere gewählten Vertreter wieder zu stärken. 

 

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